Die Unglaublichen - The Incredibles: Dynamisches und witziges Actionabenteuer der Pixar-Pioniere über eine unglaubliche Familie von Superhelden.
„Was kann schon passieren - wir sind Superhelden?“ Mit dem Selbstverständnis eines Mannes, der zum Bodybuilding mit Güterwaggons jongliert und Leben im Akkord rettet, reduziert Mr. Incredible riesige Herausforderungen zu Routineübungen. Sein Motto kann sich insgesamt auch die aktuelle Produktion der Digitalzauberer von Pixar an die Brust heften, die auf den Welthit „
Findet Nemo“ ein weiteres Entertainment-Event folgen lassen. „Die Unglaublichen“ ist Pixars erstes rein (über-)menschliches Vergnügen und in seiner Altersgrenzen transzendierenden Wirkung ein kommerziell extrem potenter Generationenkleber.
Das größte Risiko, das Autor-Regisseur Brad Bird („
Der Gigant aus dem All„) und die bald endende Pixar-Disney-Koalition hier eingingen, ist nicht nur der Verzicht auf den Tierpark, sondern auch auf das Genre von „Findet Nemo“. „Die Unglaublichen“ hat außer einer Katze, die anfangs mit Schleudertrauma vom Baum geschüttelt wird, nichts Tierisches im Angebot, und ist trotz zahlloser Gags im Herzen mehr Actionabenteuer als Komödie. Mit dieser Schwerpunktverlagerung, mit einer Umarmung vom Comicwelt und Bonduniversum, beschreitet die Computeranimation Neuland. Dabei sind die Bildausschnitte und Kameraperspektiven so perfekt gewählt, der Schnitt so rasant und doch nie Chaos stiftend, die Inszenierung der Action so kinetisch, dass sich der Eindruck von Animation auflöst und mancher Realfilm im Vergleich inszenatorisch verblasst. Das Design von Figuren und Sets ist geprägt von einem liebenswerten Sixties-Touch, irgendwo zwischen Bond und den „Jetsons“. Die Charaktere verbinden Elemente der „
Spy Kids“ mit den „Fantastic Four“ und Generationen anderer Comichelden.
Die Geschichte variiert die Außenseiter-Isolationsthematik der X-Men in Kombination mit dem klassischen Dilemma, nicht als Superheld enttarnt zu werden. Fokus der Story ist die „Entmännlichung“ von Bob Parr, der als superstarker und populärer Mr. Incredible die unglaublichsten Heldentaten vollbringt, bis ein undankbarer, von ihm verhinderter Selbstmörder Klage wegen Körperverletzung erhebt. Es ist der Anfang einer Beschwerdewelle auch gegen seine Kollegen, die die Regierung aus finanziellen Gründen zwingt, die Superhelden stillzulegen, ihnen im Rahmen eines Geheimprogramms neue Identitäten und bürgerliche Berufe zu geben. So wird der Supermann zum Versicherungssklaven kastriert und seine Frau, eine hyperelastische Wonderwoman, zur Hausfrau degradiert. 15 Jahre und drei Kinder später hat Mr. Incredible von den Fettpolstern nördlich der Knie und den Erniedrigungen seines Bürokratenchefs (sieht aus wie Herbert Feuerstein und wird auch von ihm synchronisiert) genug und kehrt nach dem Angebot einer geheimnisvollen Schönen heimlich zum alten Job zurück. Hinter der Offerte allerdings verbirgt sich der Rachefeldzug seines einst größten Fans, einer lästigen Powerklette, die er vor Jahren aus unrealisierbaren Superträumen holte.
Unter den einfallsreichen, extreme Dynamik entwickelnden Actionsequenzen zählen die Kämpfe gegen einen Riesenroboter, aber auch die konzertierte Incredible-Intervention gegen die fliegenden, bemannten Rotorscheiben des Bösewichts zu den Highlights. In letzterer Sequenz zeigt der Sohn seinen Speed, baut die scheue, hinter einem Frisurvorhang à la „The Ring“ versteckte Tochter Defensivkraftfelder, streckt und verteilt sich Mom vor und hinter mehreren geschlossenen Sicherheitstüren, ohne die Koordination im Ausschalten ihrer Gegner zu verlieren. Visueller Witz lebt in diesen Fantasyszenen, Charakterkomik in der stärksten Nebenfigur, in einer knallhart unsentimentalen und dominanten Designerin, in der Schauspielerin Linda Hunt und Hollywoods Kostümlegende Edith Head in Größe, Gesichts- und Persönlichkeitsmerkmalen verewigt sind. Situationskomik schließlich bietet auch der Ehealltag der Unglaublichen, in dem es am Küchentisch schon mal zum Dinnerinferno und auf dem Freeway zu Spontandebatten über die richtige Ausfahrt kommt. Unglaublich die Vorstellung, dass sich mit dieser Familie nicht jeder amüsieren könnte. „Wir sind Superhelden, was kann schon passieren?“ Eben! kob.