Das wandelnde Schloss: Phantasie- und humorvolles Zeichentrickmärchen des japanischen Anime-Meisters Hayao Miyazaki.
Japans Animé-Ästhet und Boxoffice-Titan Hayao Miyazaki verfilmt einen englischen Märchenromanerfolg und setzt dem geballten Manga-Minirockmiezentum knallhart eine Großmutter als zentrale Identifikationsfigur entgegen bei seinem neusten, mit denkwürdigen visuellen Eindrücken nicht geizenden Ausritt in die Gefilde von Magiern, Hexen und Gegenwartsgleichnissen.
Spätestens seit dem Berliner Bären für „
Chihiros Reise ins Zauberland“ ist der profilierte Zeichentrick-Regisseur Hayao Miyazaki auch im Westen eine große Nummer. Längst hat Disney seine Fänge ausgestreckt nach dem unheimlich sanften Konkurrenten, der auf der anderen Seite der Erdkugel in beeindruckender Regelmäßigkeit die (selbst gesetzten) Einspielrekorde bricht. Den Erfolg verdankt Miyazaki dabei nicht etwa neuen Geschwindigkeitsrekorden, bombastischer Action oder dem landesüblichen Cocktail aus Schulmädchen- und Bondage-Sex, sondern Geschichten, die Verständnis fördern, Bildern, die zum Träumen laden, und Helden, bei denen der Begriff Rache im Wortschatz nicht vorkommt.
„Das wandelnde Schloß“ macht da keine Ausnahme, wenngleich der Meister diesmal nicht auf eine eigene Idee zurück greift, sondern mit „Howls Moving Castle“ eine Episode der britischen Romanserie „Archer’s Goon“ interpretiert. Sehr zur Freude der Autorin Diana Wynne Jones im übrigen, die sich nach eigenen Worten keinen besseren Regisseur für eine Kino-Adaption hätte vorstellen können.
In Stil und Inhalt folgt „Das wandelnde Schloß“ Miyazakis Vorgänger „Chihiro“. Erneut muß da ein aus dem Alltag gerissenes Mädchen namens Sophie abenteuerliche Prüfungen unter Geistern, Hexen und Dämonen bestehen, derweil die liebevoll im europäischen Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts designte Zivilisation rund um das titelgebende Zauberhaus von einem recht irdischen Kriegskonflikt buchstäblich in Schutt und Asche gelegt wird. Allein ist das Mädchen diesmal nicht wirklich ein Mädchen, sondern, weil frisch verflucht von der Hexe aus dem Niemandsland, zumindest äußerlich eine neunzigjährige Greisin, mit allem, was das an begrenztem motorischen Radius und plötzlicher Bauernschläue mit einschließt.
Fortan versucht Sophie verzweifelt, ihre alte Form zurück zu erhalten, und heuert, weil sie daheim ja nun schlecht bleiben kann, als neue Haushälterin auf dem geheimnisvollen Schloß des jungen und attraktiven Zauberers Hauro an. Dort ist sie bei weitem nicht der einzige verzauberte Charakter und macht die Entdeckung, daß auch Magier nicht alles tun und lassen können, was sie wollen. Liebe heilt schließlich alle Wunden, was als Botschaft zwar nicht neu ist, immer wieder aber gern vernommen wird.
Wie Pixar an guten Tagen schafft es Miyazaki, an Kinder und Erwachsene gleichzeitig zu adressieren, ohne deswegen jedoch für beide getrennt Pointen und Botschaften anzubieten. Sein Zeichenstil ist und bleibt old fashioned, die zum Teil computergenerierten Hintergründe sind an Pracht und Detailfreude kaum zu überbieten. Mit einer reichen Palette an schrägen Charakteren, darunter einer beseelte Vogelscheuche a la „Wizard of Oz“ und einem waschechter Feuerteufel, schafft Miyazaki außerdem zahlreiche Nebenstränge und das nötige Quentchen Heiterkeit in einer doch mitunter recht traurigen Geschichte.
Der eigentliche Star ist aber das titelgebende Schloß selbst. Gefertigt aus altem Industrie- und Bauschutt vom Wegesrand, türmt es sich bis in den Himmel, birgt zahlreiche, selbst von seinen Bewohnern noch nicht alle entdeckte Nischen, und schreitet mit spröder Eleganz auf Stelzenbeinen durch sommerliche Blumenhaine ebenso sicher einher wie über gähnende Gebirgsschluchten. Sein Tor öffnet Wege in fremde Städte, und nicht immer scheint klar, ob nun Hauro sein Schloß oder das Schloß ihn beherrscht. Ein perfektes Eskapismus-Vehikel eben für alle, denen die Zivilisation mit ihren Kriegen und Intrigen bis zum Hemdkragen steht. Miyazaki weiß, was Träumer wünschen. Und er gibt es ihnen reichlich. ab.