Spider-Man 2: Furiose Fortsetzung der Abenteuer des Spinnenmanns mit dem neuen, spektakulären Superschurken Doc Ock.
Die Bürde für das Sequel zum fünfterfolgreichsten Film aller Zeiten (in den US-Kinos) ist gewaltig. Es muss nicht nur die Euphorie der Entdeckung, des magischen Erstkontakts, bewahren, sondern sie noch übertreffen und die Kontinuität des Franchises sichern. Um diesem Druck standzuhalten, bringt ein superelastischer Titelheld gute Voraussetzungen mit. Und da auch das Verhältnis zwischen Charakterinteraktion und Comic-Action, zwischen Drama und Humor, erneut harmonisch ist und die Qualität des Bösewichts und der Spezialeffekte den Vorgänger übertrifft, darf sich Teil 2 mit Recht als Nummer 1 im Spider-Man-Universum fühlen. Um jetzt auch kommerziell nachzuziehen, gilt es international das Gesamteinspiel von 820 Millionen Dollar zu schlagen und hierzulande mehr als 5,2 Millionen Zuschauer in die Kinos zu locken. Ein Auftrag, der eines Superhelden würdig ist.
„Die Wahrheit ist, ich liebe dich“, entließ am Ende des Vorgängers Mary Jane (Kirsten Dunst) ihren schüchternen Bewunderer Peter Parker (Tobey Maguire) in ein triumphales Glücksgefühl. Zwei Jahre später sind wir, wie in einer Zeitschleife, wieder am Beziehungsanfang - wartet sie auf ein Zeichen, ein Bekenntnis zu ihr, während er einen Schritt nach vorne und zwei Schritte zurückgeht. Grund ist das klassische Superheldendilemma, dass man sich zwar zutraut, die Welt, nicht aber die Freundin zu retten, sollte sie in die Hände der Feinde fallen. Dieses Ringen, ob man Solist bleiben oder das Duett wagen soll, zieht sich als Thema durch den ganzen Film wie auch die Kluft zwischen persönlichen Bedürfnissen und Verantwortung gegenüber anderen. Mit einem wunderbar Comic-gerechten Vorspann, der mit Zeichnungen die Ereignisse des Vorgängers rekapituliert, taucht man in Cinemascope in das Sequel ein. Noch immer ist Parker ein chronischer Schussel und gelebtes Chaos - ohne Geld und ohne Fortune. Chronisch unpünktlich, verliert er seinen Job als Pizza-Kurier und auch Mary Jane, als er als Einziger im Freundeskreis ihren Bühnenauftritt als aufstrebende Schauspielerin verpasst. Im Vorgänger entdeckte Parker seine Fähigkeiten, war alles noch ein großes Spiel, jetzt aber ist sein Zweitleben als Spider-Man zur Belastung geworden, nicht zuletzt, weil er sich niemandem anvertrauen und erklären darf. Die erste halbe Stunde des Sequels konzentriert sich auf Dialogszenen und die Neu- oder Wiedereinführung von Charakteren, lässt Spider-Action nur in zwei kleinen humorvollen Szenen aufblitzen. Dann wird aus dem brillanten Wissenschaftler Dr. Octavius (dezenter Maniac: Alfred Molina), der mit einem revolutionären Fusionsexperiment die Energieprobleme der Welt lösen will, durch einen Überladungsschaden das Monstrum Doc Ock. Vier extrem bewegliche und kraftvolle Stahltentakeln, die an sein Nervensystem gekoppelt sind, übernehmen die Kontrolle über ihn, machen ihn gewalttätig und unbesiegbar. Die nonverbale Kommunikation der Schnabel-ähnlichen Tentakelausläufer mit Doc Ock, die an die Raptoren-Verständigung aus „Jurassic Park“ erinnert, ist natürlich absurd. Wie auch sein ganzes Energieexperiment, das kaum jemand durchschauen kann. Seine destruktiven Auftritte aber sind spektakulär. Getrieben vom Wahn, seine Forschung geheim und noch aufwändiger fortzuführen, überfällt Doc eine Bank, liefert sich mit Spider-Man unglaublich kinetische, mit Wucht und Dynamik geführte Zweikämpfe an einer Hauswand, auf einem Turm und auf bzw. in einer rasenden U-Bahn. Gut dosiert sind diese furiosen Actionsequenzen in die zentrale Story eingearbeitet, in der Mary Jane die Hochzeit mit einem Astronauten plant und Peter, psychisch labil, instabil in seinen Superkräften wird und schließlich seinen Job als Spider-Man hinwirft, um wieder Normalität zu leben. Nach Teil 1 kann auch die Fortsetzung mit ihrem Humor punkten, vermittelt noch plastischer und visuell mitreißender das Bewegungsgefühl des Spinnenmanns bei seinen Air-Touren durch Manhattan und hat auch das optische Gespür für stilgerechtes Superhelden-Posing. Auch wenn die tragische Komponente, das Trauma von Peters Freund Harry, der Spider-Man die Schuld am Tod seines Vaters gibt, gegenüber der romantischen zurücktritt, und ein Berührungsfaktor, wie ihn „Hulk“, „X-Men 2“ oder selbst „Blade 2“ leisteten, nicht erreicht wird, können sich Regisseur Sam Raimi und sein Team entspannt zurücklehnen. An dieser Spinne werden wir kleben bleiben. Schnapp sie dir, Tiger! kob.