Es bleibt alles beim Alten. Ein Durcheinander in der Story, verunstaltete Typen jenseits von Gut und Böse, Grenzüberschreitungen des Diesseits und des Jenseits, absurde Logik, die dennoch zum Ziel führt, ein Darstellerensemble wie losgelassene junge Hunde, ein wilder Genremix, der zugleich die Souveränität des Regisseurs beweist. Und eine Menge Action, wenn auch nicht so denkwürdig wie die beiden Bergab-Stunts des zweiten Teils.
In diesem dritten Teil der Fluch der Karibik-Saga scheint allerdings mehr denn je das postmoderne Anything Goes den Film zu bestimmen. Vielleicht liegt dieses Gefühl daran, dass der Film so düster, ja bedrückend beginnt: Massenhinrichtungen, die Beschneidung von Bürgerrechten, ein düsterer, schicksalsergebener Totengesang. Dann: Singapur, inszeniert als morastige Vorhölle, dann die Fahrt über das Ende der Welt hinaus in die ungewisse Totenwelt, ins dunkle Reich des grausamen, auf ewig verfluchten Davy Jones, aus dem man kaum je zurückkehren kann, nur wenig aufgelockert durch etwas, das nur Galgenhumor sein kann
Und dann, ganz plötzlich, wie ein Befreiungsschlag, vollkommen abgedrehte Bilder, eine nie erwartete Psychedelik, ein Percussionsoundtrack, mit dem sich Komponist Hans Zimmer selbst übertrifft, eine Absurdität, die im Mainstreamkino kaum je gewagt wird. Ein Umsturz der beklemmenden Atmosphäre des Anfangs in ganz entfesselten Unsinn, wenn endlich, endlich Jack Sparrow auftritt
inside Sparrows mind: Gore Verbinski führt uns hinein ins Unsagbare, in die frei umherschwirrende Gedankenwelt dieses Typen, der eine Menge in seinem Kopf hat, das aber alles kaum je zu einem Ganzen führen kann. Hier wurde natürlich bei Indie-Drehbuchikone Charlie Kaufman geklaut, und doch: eine Erdnuss hätte man niemals erwartet in diesen wahnsinnigen Halluzinationen.
Ab jetzt weiß man endgültig, dass man hier richtig ist. Und jetzt ist auch alles vollends egal, was jemals in diesem Film passieren wird. Alles ist möglich, und wegen dieser Befreiung von jedem Zwang schöpfen die kreativen Köpfe aus dem Vollen. Verrat folgt auf Verrat, jeder verbündet sich mit jedem, um dann doch seine eigene Agenda durchzuziehen, das Hin und Her der Handlung scheint noch willkürlicher zu sein als in den vorherigen Teilen aber nach einem Blick in Jack Sparrows Verstand ist man als Zuschauer zu allem bereit und aufgelegt. Dann kann auch Keith Richards auftauchen als Sparrow-Vater und aus seinem Auftritt ganz nonchalant etwas weit Unspektakuläreres machen, als die seit Jahren umherschweifenden Gerüchte und Ankündigungen erwarten ließen und das macht gar nichts aus.
In seinen bisherigen Inkarnationen hat sich die Fluch der Karibik-Reihe ein solches Arsenal an Figuren und Gegenständen angeeignet, dass diese sich nun ganz frei kombinieren lassen, ohne dabei der Plotlogik Gewalt anzutun. Denn die Plotlogik ist die filmgewordene freie Assoziation, die zwanglose Verknüpfung des Vorhandenen zu neuen, abenteuerlichen Kombinationen, inklusive subtilen, eingestreuten Anspielungen auf das, was im derzeitigen Zeitgeist im Schwange ist: Globalisierung und Wirtschaftsmacht, der Zusammenschluss von Ökonomie und Militär, die Beschneidung von Bürgerrechten und der individualistische Protest dagegen
Wo die Sympathien liegen, ist klar: Bei denen, die frei sein wollen, auch wenn sie Piraten sind. Insofern ist das Abenteuer-Fantasy-Hollywood-Spektakel erstaunlich subversiv aber wer wollte danach fragen, wo der Film doch auf einer Freizeit-Spaßattraktion aus Disneys Themeparks beruht
Am Ende des Films steht alles wieder auf Anfang, und das heißt wohl: Alles geht immer weiter. Braucht es dafür einen vierten Teil?
Fazit: Ein würdiger Abschluss der höchst unterhaltsamen Piraten-Trilogie mit einem Plot, der sich ganz auf die freie Assoziation verlässt.