Liegen lernen: Erwachsenwerden in den 80ern - nach dem gleichnamigen Roman von Frank Goosen.
Hendrik Handloegten, Jahrgang 1968, von 1989 bis 1993 Betreiber des Berliner Eiszeit Kinos und anschließend Student der Deutschen Film- und Fernsehakademie, stellt ein großes Versprechen für die Zukunft des deutschen Films dar. Gleich sein erster Langfilm, die dffb-Abschlussarbeit „Paul Is Dead“, wurde vielfach ausgezeichnet und gewann unter anderem den Preis des saarländischen Ministerpräsidenten beim Max-Ophüls-Festival 2000 sowie den Adolf-Grimme-Preis 2001. In „Liegen lernen“ erzählt er nun mit viel Einfühlungsvermögen und Witz, handwerklich makellos und mit viel Gespür für Rhythmus und Timing die Geschichte eines jungen Mannes, der sich nicht wohl fühlt im eigenen Leib, der gefühlskalt und bindungsunfähig geworden ist, seitdem er seine große Liebe verloren hat.
An „High Fidelity“ wird man erinnert und auch ein wenig an „Soloalbum“, an John Cusacks Schallplattenfetischisten Rob und Matthias Schweighöfers Musikjournalisten Ben, wenn man Helmut Hermes zusieht, wie er an den Frauen leidet. Der Held aus Frank Goosens gleichnamigem, erfolgreichen Ruhrgebietroman ist nun auf der Leinwand zum Leben erwacht, mit viel Gespür und Ausdruckskraft gespielt vom wandlungsfähigen Fabian Busch („23“). Ein „gefühlsgehemmter, bindungsunfähiger und feiger Penner“ ist dieser über die Jahre geworden, das zumindest behauptet Langzeitfreundin Tina und serviert ihren mittlerweile 32-jährigen Liebhaber ab. Ein Kind möchte sie haben, und das wirft den Luftikus aus der Bahn. Zeit für Helmut, Bilanz zu ziehen und zurückzuschauen auf sein verkorkstes Leben.
Und so setzt sie ein, die lange Rückblende, die zurückführt in die frühen achtziger Jahre, in die BRD und das geteilte Berlin, in die Ära Helmut Kohl und zur Musik von The Pop Group und F.R. Davids. Da stehen sie rum, Helmut und seine Kumpels, der coole Mücke (Florian Lukas aus „Good Bye, Lenin!“) und der Musikfreak Schäfer, und betrachten großmäulig das „fickbare Material“. Bis die blonde Britta (Susanne Bormann aus „Nachtgestalten“) den Raum betritt und für Helmut plötzlich der Himmel voller Geigen hängt. Bei ihr muss er landen - bei keiner sonst. Und es gelingt ihm auch. Da zieht Britta zu ihrem Vater nach San Francisco und alles ist vorbei. Von nun an schläft sich der gekränkte Pfau durch die Betten, nützt seinen Schlag bei den Frauen aus und leidet, anstatt „liegen zu lernen“ und endlich erwachsen zu werden.
Eine wunderbare, gut nach vollziehbare Coming-of-Age-Komödie ist Hendrik Handloegten gelungen, der gekonnt von den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens erzählt und gleichzeitig die politisch-gesellschaftliche Stagnation der achtziger Jahre in präzisen Bildern festhält. Überaus sorgfältig im Produktions- und Tondesign, gekonnt besetzt und ausgestattet sowie mit leichter Hand inszeniert, merkt man dem Film an, wie viel Herzblut in ihm steckt. Handloegten liebt seine Figuren, formt sie und gibt ihnen Raum - als Autor weiß er, was der Regisseur braucht. Jede/r ist speziell, ganz einzigartig. Helmut ohnehin, aber auch Gisela, die mütterliche Medizinstudentin, deren Mitbewohnerin Barbara, eine nihilistische Theatermimin, oder die zupackende Sportjournalistin Gloria. Fritzi Haberlandt, Sophie Rois und - etwas schwächer - Anka Lea Sarstedt füllen diese Bettgenossinnen Helmuts mit Leben, schaffen Zwischentöne und rücken den Helden so noch besser in den Mittelpunkt des Geschehens. Nach „Good Bye, Lenin!“, an dessen Drehbuch Handloegten
mitarbeitete, hat das Produktions- und Verleih-Team von X Filme erneut ein vielversprechendes, preiswürdiges Werk fertiggestellt, das quer durch die Zuschauerschichten, Action- und High-Tech-Fans einmal ausgenommen, bestens ankommen sollte. geh.