Kill Bill Vol. 2: Quentin Tarantinos lang erwartete Fortsetzung der Vergeltungsodyssee von Killerin Uma "Die Braut" Thurman.
Immer noch Quentin Tarantinos vierter Film. Jetzt aber der zweite Teil, der die letztendlich mehr als vierstündige Rache-Saga über die entfesselte Wut einer Kungfurie zu ihrem blutigen Ende führt. Weiterhin in einzelnen Kapiteln als eine Art Anthologie des Exploitationkinos der 70er Jahre angelegt, ist „Vol. 2“, der deutlich dem Spaghetti-Western und dem Martial-Arts-Kino aus Hongkong Referenz erweist, das beinahe polare Gegenstück zur Ouvertüre: Explodierte diese fast dialogfrei in einen Reigen aus Action, Gewalt, Bewegung und Farben, ist nun das Wort mächtiger als das Schwert: Wurde die Rache zuvor noch eiskalt serviert, wird sie nun cool kredenzt: Mit langen Dialogen, ruhigerem Rhythmus und pointierterer Raserei ist das Aufeinandertreffen der von Uma Thurman sensationell gespielten Braut und ihrem titelgebenden Erzfeind Bill (endlich tritt David Carradine aus den Schatten) emotionaler und spannender als „Vol. 1“, aber keinen Deut weniger spektakulär.
„Bang bang, my baby shot me down“, wehklagte Nancy Sinatra in der Titelsequenz von „Vol. 1“, nachdem man zuvor Zeuge geworden war, wie Bill seine ehemalige Geliebte und beste Killerin mit einer Kugel in den Kopf in ein vierjähriges Koma schickte. Die ganze Tragweite der Wahl dieses Liedes, dessen getragene Stimmung so überhaupt nicht zur folgenden filmischen Raserei durch japanische Samurai- und Yakuza-Filme, Blaxploitation-Action und italienische Giallo-Thriller passen wollte, wird nun bewusst. Wenn die Braut am Schluss ihres epischen Kreuzzugs endlich Bill in dessen mexikanischem Refugium töten will, steht sie, was sich am Ende von „Vol. 1“ ankündigte, erstmals ihrer Tochter Beebee gegenüber, die sie zum Duell mit Spielzeugpistolen fordert und die Mutter niederschießt. My Beebee shot me down. An dieser Stelle fügen sich nicht nur sämtliche Puzzleteile ineinander und werden die Dimensionen von Tarantinos irgendwie größenwahnsinnigen Kraftakt deutlich, hier offenbart der Regisseur von „Pulp Fiction“ und „
Reservoir Dogs“ ausgerechnet in seinem bislang stilisiertesten und blutigsten Werk eine Menschlichkeit und Zärtlichkeit, die man ihm niemals zugetraut hätte. Der folgende Showdown, im Grunde wenig mehr als ein Krieg der Worte, wird damit mit einer Spannung aufgeladen, die kein noch so furioser Zweikampf mit Hattori-Hanzo-Schwertern jemals haben könnte.
Doch bis dahin hat die Braut einen weiten Weg zurückzulegen. Wie der maskuline „Vol. 1“ beginnt auch der feminine „Vol. 2“ nach einer kurzen Hommage an „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ in der texanischen Kapelle an jener Stelle, an der sich alle Lebensträume der Heldin zerschlagen. Diesmal zeigt Tarantino jedoch die komplette Sequenz. Erstmals tritt Bill in Erscheinung, von dem man bislang nur die Stimme hören durfte. David Carradines Auftritt - der erste in einem großen Kinofilm seit „
Ein Vogel auf dem Drahtseil“ im Jahr 1990 - ist eine Offenbarung. Und auch Uma Thurmans Darstellung wächst an seiner Seite: Ihre Wut hat nun ein greifbares Ziel. Weil Tarantino nach dem halbstündigen Showdown von „Vol. 1“ Ruhe auf den Sturm folgen lässt, haben die Figuren erstmals Zeit, Luft zu holen. Die Szenen mit Bills aufgeschwemmtem Bruder Budd und Elle Driver, der ärgsten Konkurrentin der Braut in den vergangenen Tagen von Bills Deadly Viper Assassination Squad, sind mit ihren extremen Nahaufnahmen, langen Einstellungen und entliehenen Morricone-Weisen purer Sergio Leone, wenngleich der wohl nie so geschwätzig war. Umwege und Rückblenden gehören weiterhin zum Rüstzeug von „Kill Bill“: Die Braut wird in der im Wortsinne beklemmendsten Szene des Films lebendig begraben. Man rätselt noch, wie nicht nur sie, sondern auch der Film da wieder rauskommt, da schneidet Tarantino in die Vergangenheit auf die Ausbildung der Heldin unter Leitung des grausamen Mönch Pai Mei. Diese im Stil der „
Shaolin„-Filme gedrehte Sequenz mit der Martial-Arts-Ikone Gordon Liu ist wiederum der Schlüssel zum Weg aus dem unüberwindbar scheinenden Sarg.
Nicht einen Moment hat man den Eindruck, Tarantino könnte der Atem oder die Ideen ausgehen. In den unmöglichsten Momenten schlägt er die verrücktesten Volten, immer getrieben von seinem enzyklopädischen Filmwissen. Hier wird nicht einfach abgekupfert. Hier wird verbeugt, verwiesen, zitiert, assimiliert, variiert, kommentiert, weiterentwickelt und neu chiffriert. In seiner Gänze ist „Kill Bill“ eines jener wegweisenden amerikanischen, wild delirierenden Epen, wie man sie seit den Tagen von „Apocalypse Now“ und „
Heaven’s Gate“ für ausgestorben hielt, ein selbstverliebter, aber nicht selbstgefälliger Kraftakt, der sich nur sich selbst und dem eigenen geschaffenen Universum verpflichtet fühlt. Wenn das wirklich der Befreiungsschlag nach sechs Jahren Kreativblockade war, dann Hut ab: Mehr Film geht nicht. ts.