Napola - Elite für den Führer: Historisches Drama, in dem sich ein 16-jähriger Schüler zunächst vom Nazi-Regime verführen lässt und dann an einem Eliteinternat Zweifel am System entwickelt.
Das Warten hat sich gelohnt: Nach der Fingerübung in leichter Komödie „Mädchen, Mädchen“ (2000) gelingt Dennis Gansel mit seinem zweiten Kinofilm ein Schwergewicht von Drama. Den rauen Alltag in einer Eliteschule der Nazis um 1942 schildert er in bewegenden, schockierenden auch amüsanten Momenten, die sich ins Gedächtnis graben.
Ihm gelingt dabei die Gratwanderung, das Publikum zu unterhalten, aber auch dem Ernst des Themas und der Psychologie der Figuren gerecht zu werden. Anders als die auf historischen Persönlichkeiten beruhenden, aktuellen Filme über den Nationalsozialismus „Der Untergang“, „Der neunte Tag“ und „Sophie Scholl - Die letzten Tage“ erzählt Gansel die fiktive Geschichte zweier scheinbar gegensätzlicher, befreundeter Schüler. Allerdings ließ er sich dazu von den Erfahrungen seines Großvaters inspirieren, der Ausbilder an einer Reichskriegsschule war. Zwei Jahre tüftelte er mit Koautorin Maggie Peren am Drehbuch, das 2003 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde, und drehte einen Film, der gleich in mehreren Kategorien preiswürdig ist.
Der eine Schüler, der blonde, hochaufgeschossene Friedrich (Max Riemelt wurde für seine Performance in Karlovy Vary ausgezeichnet), stammt aus einer Berliner Arbeiterfamilie und wird vom Sport- und Deutschlehrer (Devid Striesow) der Eliteschule bei einem Boxkampf entdeckt. Friedrich geht gegen den Willen des Vaters nach Burg Allenstein, um der Armut zu entkommen, zur Elite zu gehören. Der andere, der schmächtige, schüchterne Albrecht (Tom Schilling, ebenfalls mit einer hervorragenden Leistung), literarisch begabter Spross eines SS-Hardliners ist nur an der Schule, um den Wünschen des Vaters zu entsprechen. Während Friedrich sich von der Nazi-Ideologie vereinnahmen lässt und beim Boxen sein Mitleid wie befohlen ablegt, regt sich in Albrecht der Widerstand gegen den Vater, das unmenschliche System, das er schließlich in einem Aufsatz anprangert.
Zwei packend inszenierte Schlüsselszenen treiben die Wandlung der Helden voran bis beide auf ihre Art dem unmenschlichen System die Stirn bieten. In der einen Szene wirft sich ein vom Schleifer der Schule (Michael Schenk, macht eindrucksvoll seinem Spitznamen im Film „Peiniger“ alle Ehre) gequälter Bettnässer bei einer Übung auf eine Granate, um die Kameraden zu retten; in der anderen werden bei einer nächtlichen Jagd, Flüchtlinge erschossen. Gansel findet passend pathetische Bilder (Kamera: Torsten Breuer) und die entsprechende Musikuntermalung, David Lynchs Leibkomponist Angelo Badalamenti steuerte Motive zum Score bei, um den Zuschauer bei der klassisch erzählten Geschichte emotional mit zu nehmen. Dass dies gelingt, liegt natürlich auch am glaubwürdigen Spiel des Ensembles. Neben den beiden Hauptdarstellern glänzt etwa Justus von Dohnanyi als rheinisches SS-Ekelpaket.
Die Story beginnt ruhig als Internatsgeschichte, in der Naziideologie nur ab und an durchbricht, etwa wenn Friedrich bei der Aufnahme als arischer Typ vermessen wird. Ansonsten gibt es wie in jeder Internatsgeschichte machthungrige, ältere Schüler, die die jüngeren drangsalieren, oder einen Stuben-Clown. Doch Gansel und Peren bauen in ihrem durchstrukturierten Buch mehr und mehr (Tragödien-)Spannung auf. Gansel beweist sein Geschick in der Choreographie von Massen-Szenen beim Frühsport oder beim Essen in der großen Halle, wie in der Inszenierung intimer Szenen zwischen den Freunden oder dynamischer Box-Szenen. Ausstattung und Kostüm tun das ihrige, um die damalige Zeit realistisch wieder zu geben. So ist dem Drama, nachdem es u.a. bei den Filmtagen in Hof gefeiert wurde, ein zahlreiches, auch jüngeres Publikum zu wünschen, das sich für ein nicht so bekanntes Kapitel der Nazigeschichte interessiert, wenn es im gebührenden Abstand zu „Der Untergang“ Ende Januar bundesweit in die Kinos kommt. hai.