Ja, es ist ein seltsamer Film, den Regie-Legende Francis Ford Coppola (Der Pate, Apocalypse Now) geschrieben, produziert und inszeniert hat. Die Handlung, basierend auf dem Werk des Religionswissenschaftlers und Kulturforschers Mircea Eliade, ist ein anspruchsvolles Gemisch aus Träumerei, Bizzarem und Surrealen, dabei philosophische Abhandlung über Bewusstsein, Zeit und Sprache, aber auch ein zutiefst menschliches Drama über Verlust, Liebe und Vergänglichkeit. Nicht zuletzt ist es, im Guten wie im Schlechten, ein Autorenfilm, und wie auch Darren Aronofsky mit The Fountain im jugendlichen Überschwang übers Ziel geschossen ist, bietet Coppola aus der Altersperspektive eine innige Herzensreise, auf der man als Zuschauer schon etwas guten Willen braucht dafür aber auch belohnt wird.
Der Film ist ein Co-Produktion: US-amerikanisch, deutsch, italienisch, französisch, rumänisch, was schon viel aussagt. Die rumänischen Kulissen für die Zeit um den Zweiten Weltkrieg geraten ziemlich authentisch, kein Spielbergscher Hyperrealismus, eher der zurückhaltende Stil europäischer, gar deutscher Produktionen. Das gilt auch für die Ästhetik: eine ruhige Kamera, die oft, für surreale Momente, einfach auf den Kopf gestellt oder verkantet wird, mehr braucht es nicht. Auch Dominics Bewusstseinsspaltung wird in ihrer Zurückgenommenheit sehr effektiv über Schuss-Gegenschuss-Aufnahmen beider Tim Roths aufgelöst. Doch ob Dominic wirklich nur innerlich gespalten ist oder doch doppelt existiert, verwischt der Film ebenso wie die Wirklichkeit seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten. Verkopft und doch mit leichter Hand werden Symbolik und Einbildung, Fabelhaftigkeit und Drama, Tragik, Anspielungen und (auch außerfilmische) Ironie vermengt.
Das Gefühl, die ambitionierte Verfilmung eines großen Romans ansichtig zu werden, der neben der schieren Handlung auch ihre Poesie, die Stimme und Bedeutung mit aufgreifen, verlässt einen nie. Reine Wahrscheinlichkeit und Logik gehen darüber verloren: Der einst von seiner Laura verlassene Dominic findet nach dem Krieg Veronica, die ebenfalls vom Blitz getroffen, plötzlich die Inkarnation einer Jahrhunderte alten Inderin darstellt. Sie wird von einem italienischen Indologen und Dominic, der ja ebenfalls Meister alter Sprachen, nach Indien gebracht, zwecks Verifikation ihrer Visionen. Ein Kamerateam begleitet sie, dreht fleißig, und spätestens hier kommt einem Wes Andersons Darjeeling Limited in den Sinn. Nicht, weil Jugend ohne Jugend komisch wäre. Sondern weil auch hier irgendwie nicht das, was gerade da geschieht, von Bedeutung ist, sondern das Gefühl, der entfernte Blick auf ein großes Gesamtwerk inklusive einer urmenschlichen Allgemeingültigkeit.
Sicher kann man eine Menge Zeit an Interpretation mit Coppolas Film zubringen, alles philosophischen Implikationen auseinanderdröseln, sich zwischen Bedeutungsebenen tummeln, ihn historisch lesen oder als die zeitlose Romanze zwischen Dominic und seinen Frauen, die immer eine ist und doch nie die seine sein kann. Gerne auch als Wunsch-, Angst- und Todestraum eines alten Mannes, der sein Leben für die eigene wissenschaftliche (Selbst-)Suche vergeudet hat und nun über ebenso viele semiologische Schichten wie sie seine vielen Sprachen bieten, die eigen Erzählung seines Schicksals erfindet.
Natürlich kann man das ganz auch als lange, trockene bis dröge und versponnene Fantasy-Mär hochliterarischer Prägung (in Richtung Orlando) begreifen. Samt lose hingeworfenen Episoden, die rein für sich stehen. Tatsache ist jedoch, dass man Coppola beileibe keine Gedankenlosigkeit und das Fehlen einer intelligenten Sinnsuche vorwerfen kann und dass der wunderbare Tim Roth Jugend ohne Jugend nicht nur als Ganzes zusammenhält, sondern gar mit dem nötigen Leben erfüllt.
Fazit: Großmeister Coppolas Alterswerk mag als literarisch-wirres bis versponnenes Autorenkino daherkommen, bietet aber lohnenswerte Vielschichtigkeit und einen Tim Roth, der alles zusammenhält.