Vertical Limit: Spektakulärer Bergsteigerthriller von "Bond" - und "Zorro" -Regisseur Martin Campbell.
Nachdem Regisseur Martin Campbell mit „Goldeneye“ Bond aus der Krise und mit „Die Maske des Zorro“ eine Legende aus dem Museum holte, soll nun der Bergthriller aus seiner Talsohle gehievt werden. Ein Genre, das in den letzten 30 Jahren nur sporadisch, etwa von Clint Eastwood („Im Auftrag des Drachen“) oder Renny Harlin („Cliffhanger“), besucht wurde. Tatsächlich signalisiert „Vertical Limit“ Aufbruchstimmung für hochalpine Abenteuerstories, sofern sie trotz vertrauter Figuren und Dramaturgie solches Entertainment bieten wie hier.
Rätselhaft nur, warum kommerziell viel versprechendes Erregungskino mit Breitenwirkung nicht im idealen Format Cinemascope antreten darf.
Im majestätischen Monument Valley beginnt Actionspezialist Campbell seinen Thriller mit einer Sequenz, die mit physischen, nicht aber visuellen Effekten ganz überzeugt, weil der Film hier Schärfe in Vorder- und Hintergrund, realistische Perspektive und damit die Überwindung von Studioatmosphäre nicht leistet. In einer Steilwand erleben Peter Garrett (Chris O’Donnell) und seine Schwester Annie (Robin Tunney, zuletzt fast ein Teufelsweib in „End of Days - Nacht ohne Morgen“) den Bruch ihrer engen Verbindung, als ein Absturz die Seilschaft aus der Wand reißt und Peter sogar seinen Vater in die Tiefe stürzen lassen muss, um wenigstens sich und seiner Schwester das Leben zu retten. Drei Jahre später treffen sich die entfremdeten Geschwister am K2 wieder, den Annie mit einem ehrgeizigen Amerikaner (Bill Paxton) besteigen will, obwohl Scott Glenn als einsilbiger Eremit mit jeder Falte seines Gesichts vor dem Wetter warnt. Campbells Einstieg in den Plot ist pulsierend und dynamisch und gibt den Rhythmus für den Film vor, der sich nur wenige Atempausen erlaubt. Sämtliche Charaktere sind auf Anhieb alte Bekannte, deren Persönlichkeitsprofil und Verhalten man leicht durchschauen und vorausberechnen kann. Paxton ist der Egoist, der unter allen Umständen überleben will, Tunney die Samariterin, die eigene Interessen zurückstellt, Glenn der exzentrische Außenseiter und widerwillige Held, O’Donnell der Traumatisierte, der erlöst werden will und Izabella Scorupco (mit Famke Janssen einst Bondgirl in „Goldeneye“), schlicht die couragierteste, selbstbewussteste und hübscheste Amazone am Hang, die in der wohl spektakulärsten Actionsequenz des Films die Hauptrolle spielt. Damit die dramaturgische Luft beim Klettern nicht zu dünn ist, sorgen eine riskante Rettungsaktion, hochexplosives Nitroglycerin, Gletscherspalten, atemberaubende Lawinen und die menschliche Anatomie, die Überleben in dieser Höhe nur für einen sehr begrenzten Zeitraum zulässt, für Spannung, als Paxton, Tunney und ihr Bergführer hoch oben im Massiv in eine Spalte stürzen und binnen 36 Stunden gerettet werden müssen. Vor beeindruckender neuseeländischer Alpinkulisse wechselt „Vertical Limit“ nun zwischen der selbstmörderischen Rettungsaktion und dem psychologischen und physischen Drama der Eingeschlossenen hin und her, bis die Geschwister wiedereinvereint sind und die Opferquote dem „Private Ryan“-Dilemma Konkurrenz macht. Suspension of disbelief, die Zurückstellung von realistischen Überprüfungen, ist seitens des Zuschauers eine Grundvoraussetzung für den Unterhaltungsfaktor dieses Films, der in seinen Actionszenen die Grenzen des Möglichen comichaft überreizt. Ein Arm am Eispickel trotzt eben nicht dem Gewicht zweier über der Tiefe baumelnder Personen, Menschen sind keine Bergziegen, die von Fels zu Fels springen und Nitroglycerin ist kein Sprengstoff, mit dem man unter solchen Umständen herumklettern würde. Den Spaß verderben Einwände wie diese trotzdem nicht, weil „Vertical Limit“ nie den Anspruch erhebt, dokumentieren, sehr wohl aber unterhalten zu wollen. kob.