American Beauty: Höchst originelle Tragikomödie, in der der allamerikanischen Traum von mittelständischer Normalität virtuos demontiert wird.
Wie zuletzt in „
Die Truman Show“ und „Happiness“ wird in dem Filmdebüt von Theaterregisseur Sam Mendes („
Cabaret„, „The Blue Room“) der allamerikanische Traum von suburbaner mittelständischer Normalität provokativ pessimistisch und gleichzeitig ätzend amüsant demontiert. Eine hervorragende Besetzung, allen voran Oscar-Gewinner Kevin Spacey („Die üblichen Verdächtigen“), macht die einfallsreich-originelle Tragikomödie zum hinreißenden Hochgenuß und ersten klaren Oscar-Anwärter des Filmjahres.
Hauptdarsteller Spacey mimt den ausgebrannten Normalbürger Lester Burnham, der von seiner ebenso ehrgeizigen wie hysterischen Frau Carolyn (Annette Bening) und seiner mißmutigen Teentochter Jane (Thora Birch, ambitioniert den Fußstapfen Christina Riccis folgend) als Verlierer abgestempelt und kaum noch toleriert wird. Ihre Gefühle sind längst erkaltet und ihre Kommunikation beschränkt sich auf leere Worthülsen. Als Erzähler informiert Brunham im Voiceover, daß sein Tag nach der morgendlichen Masturbation in der Dusche grundsätzlich bergab gehe und er in weniger als einem Jahr tot sein wird. Als er Angela (Mena Suvari aus „Heiße Apfelkuchen“ als verführerisch-lolitahaftes Biest), die beste Freundin seiner Tochter, kennenlernt, brennt ihm regelrecht die Sicherung durch. Sexuell ausgehungert, da im Bett mit seiner Frau schon lange tote Hose ist, setzt sich Lester eine Affäre mit dem wunderschönen Teentraum in den Kopf. Er kündigt seinen langweiligen Routinejob und beginnt sich rebellisch wie ein Jugendlicher zu benehmen. Er raucht Marihuana, trinkt jederzeit Bier, stemmt Hanteln, kauft sich eine aufgemotzte Rennsemmel und sagt ohne jegliche Rücksicht auf Konventionen oder Verluste, was ihm am Herzen liegt. Gleichzeitig freundet er sich mit dem skurrilen Nachbarsjungen Ricky (absolut fantastisch: Wes Bentley) an, der trotz strenger Überwachung seines tyrannisch-gewalttätigen Colonel-Vaters (Chris Cooper, der bereits in „
October Sky“ einen furchterregenden Patriachen abgab) ein florierendes Geschäft als Dealer betreibt. Ständig auf der Suche nach Schönheit und einer verloren geglaubten Realität, filmt Ricky ständig alles und jeden um sich herum mit seiner Videokamera. Trotz seiner voyeuristischen Tendenzen, die nie anzüglich motiviert sind, sondern eher röntgengleich den Dingen auf den Grund gehen, bandelt Burnhams Tochter mit ihm an.
Mendes und Drehbuch-Neuling Alan Ball werfen mit subtilen Sarkasmus einen vielsagenden Blick auf gesellschaftliche und soziale Konventionen, deren erstickende Fassade um jeden Preis aufrecht erhalten werden soll. Sie ergehen sich dabei nicht in typischen Klischees, sondern benutzen diese als Fundament für facettenreiche Charakterzeichnungen, um sie dann gewitzt und unerwartet zu verdrehen. Was generell als pervers und unmoralisch gilt, wird hier nonchalant und wertfrei toleriert, während die Maske sogenannter Normalität als abartig und krank bloßgestellt wird. Die Themen kreisen um Untreue, Mißtrauen, Homosexualität, Kontrollkomplex, Abhängigkeit, Frustration und Hilflosigkeit in verschiedenen Variationen. Der abgehobene Erzählton, der sich perfide ins Surreale steigert, wird durch die ausgefallen-ästhetische Kameraarbeit von Conrad Hall noch zusätzlich hervorgehoben. Ein wiederkehrendes Motiv sind unzählige Blätter der Rosensorte American Beauty, die blutig rot in Carolyns Garten wachsen und ihren Weg in Lesters nach Schönheit und Liebe ausgebluteten Unterbewußtsein und seine lustvollen Visionen von Angela gefunden haben. Wer ein amerikanisches Meisterwerk in diesem Jahr bislang vermißt hat, könnte bei der fabelhaften Dreamworks-Produktion fündig werden. ara.