Déjà-vu: Das ist ein Schaltfehler im Gehirn, der dem Verstand vorgaukelt, etwas Unbekanntes schon lange zu kennen. Da dieses Phänomen dem Betroffenen auf besondere Weise auffällt lässt es doch scheinbare Brüche in der Realität erkennen , hat es schon immer die Phantasie von (Drehbuch)Autoren beflügelt, die ihre Geschichten von Realitäts- und/oder Identitätsverlust in der realen Erfahrung des Publikums verwurzeln wollen. Und natürlich spielt es eine Rolle in diversen Verschwörungstheorien, scheinen sich in Déjà-vus doch wahlweise Zeitreisen, Paralleluniversen, Kollektivhypnosen oder sonstige Eingriffe einer fremden, bösen Macht auf die Psyche des Individuums beweisen zu lassen.
Der Film allerdings, der dieses Phänomen in seinem Titel trägt, beschäftigt sich nicht mit psychischen Problemen seiner Figuren. Tatsächlich hat Deja Vu nichts mit Déjà-vu-Erlebnissen zu tun. Vielmehr werden reale Zeitreisen mit wissenschaftlicher Erklärung geboten, Blicke in die Vergangenheit, die Frage nach nachträglicher Veränderung dessen, was schon passiert ist. Deutet der Titel also ein Psychodrama an, das innere und äußere Wirklichkeit der Hauptfigur kollidieren lässt ein Déjà-vu wäre dann zum Beispiel ein Symptom von gestörter Realitätswahrnehmung respektive Paranoia , so ist das Endprodukt auf der Leinwand in Wirklichkeit ein Actionthriller, der seine Betonung ganz auf die äußere Handlung legt.
Mittelpunkt des Plots ist sicherlich die Erfindung des FBI, die reale Blicke in die Vergangenheit erlaubt, was mit einer Krümmung des Raum-Zeit-Gefüges zu tun hat, mit einer Abkürzung per Wurmloch, die es gestattet, auf einem Bildschirm das zu beobachten, was viereinhalb Tage zuvor passiert ist. Das mündet in einer Verfolgungsjagd, in der den Spuren des Verfolgten viereinhalb Tage später nachgefahren wird Denzel Washington als Doug Carlin mit einer merkwürdigen Kamerahaube im Wagen, wobei er mit dem einen Auge die Vergangenheit, mit der anderen den gegenwärtigen Straßenverkehr im Blick haben muss, zwei fragmentierte Wirklichkeiten in einem Bild. Diese Sequenz ist symptomatisch für den Film als Ganzes: Eine Menge Bruch und schnelles Agieren, visueller Overkill und das Kurzschließen von Vergangenheit und Gegenwart. Aber gleichzeitig steckt nichts dahinter, Doug Carlin verfolgt ein Phantom der Vergangenheit ohne Rücksicht auf Verluste, so wie Tony Scott mit seinem Film der Unlogik von Zeitreise und grob übertünchten Handlungslöchern aufliegt.
Sein Stil die optische Beschleunigung des Films durch visuelle Gimmicks wie Reißschwenks, Zooms, harten Umschnitten, Zeitraffer etc. , dieser Stil drängt sich dermaßen in den Vordergrund, dass Logik oder Unlogik des Geschehens an den Rand verschoben, ja über Bord geworfen werden. Hierüber gehen freilich auch Figurencharakterisierungen flöten die Obsession von Carlin, die Vergangenheit zu erforschen, ja umzuformen, wird nur behauptet: Ich habe viele Verbrecher nach der Tat gefasst, einmal will ich einen vorher erwischen, und seine Liebesgeschichte über die Distanz von viereinhalb Tagen mit einem künftigen (möglichen) Mordopfer wirkt aufgesetzt ein paar Blicke, und er ist ihr verfallen. Schließlich aber: Wenn gleich zu Anfang visuell Vollgas gegeben wird, geht am Ende die Puste aus; nachdem phantastische Erklärungen für futuristische Geräte aufeinander gestapelt werden und dadurch der Actionthriller immer mehr abhebt in die Sphäre des Unglaublichen, bricht diese Hyper-Hyperrealität plötzlich ab und der Film geht über zu einem konventionellen Jagt den Bösen und rettet die Welt-Plot.
Dabei gibt es zwischendrin kleine Momente, die Größeres versprechen: Dass Doug Carlin vielleicht doch gefangen ist in einer Projektion seines inneren Ich, dass seine Psyche obwohl Hauptfigur zerfasert ist (hierfür wäre dann der Filmtitel wieder angebracht gewesen). Oder der Moment, als der Monitor in die Vergangenheit mit allgegenwärtiger Überwachung per Satellit und der Auswertung von Kameradaten erklärt wird, was die reale, erschreckende Möglichkeit einschließt, jederzeit an jedem Ort alles zu erfahren, wenn auch mit viereinhalb Tagen Verspätung (die Paranoia aus Tony Scotts Staatsfeind Nr. 1 lässt hier grüßen). Doch diese Möglichkeiten, den Film in neue Gewässer zu führen, werden verschenkt zugunsten eines Films, der die Wunden Amerikas pflegt: Er spielt in einem New Orleans, das die Katastrophe von Katrina überwunden hat und nun von einem Terroranschlag getroffen wird, und handelt von der Sehnsucht, die Traumata der Vergangenheit ungeschehen zu machen, das Schicksal von tausenden toten Amerikanern umzubiegen zu einem Happy End.
Fazit: Ein veritabler Actionfilm aus der Bruckheimer-Krachfabrik, hinter dessen rasantem visuellen Stil sich freilich nicht viel verbirgt außer ein paar logischen Löchern.