Zu Anfang führt der Film in einer kurzen Animationssequenz in die Geschichte Saudi-Arabiens ein und in die Beziehungen des Landes zu den USA eine strategische Freundschaft basierend auf Angebot und Nachfrage von Öl. Drei Minuten für die Historie des Nahen Ostens von 1932 bis zum 11.9.2001: ganz kursorisch und in groben Zügen auch durchaus originell gestaltet skizziert der Film den Hintergrund des folgenden Kriminalthrillers; und die restlichen 105 Minuten wird er auch nicht tiefer unter die Oberfläche eines komplizierten Geflechtes von Ökonomie und Diplomatie blicken.
Riad in Saudi-Arabien bildet die Kulisse für einen Film, der ganz auf die Wirkung auf den Zuschauer zugeschnitten ist, und der seine spannende Eindringlichkeit auch stets aufrecht erhält. Das beginnt mit der Durchführung eines immensen Anschlages auf eine Siedlung von US-Amerikanern in Riad dessen schiere Gewalttätigkeit noch verstärkt wird durch die ausgeklügelte Strategie der Attentäter, in drei Eskalationsstufen vorzugehen, und durch den zusätzlichen Twist, dass diese ungeheure Explosion von ihnen als Schauspiel, als Spektakel, als Lehrstück in Antiamerikanismus für den Nachwuchs aufgefasst wird, denn Kinder dürfen per Fernglas zusehen, ein Jugendlicher darf die Videokamera halten und filmen, wie einfach so in wenigen Minuten über 100 Menschen den Tod finden. Von den Filmemachern genau kalkuliert ist diese Taktik, den Kinozuschauer nicht nur zum Zeuge des Anschlages, sondern auch der damit einhergehenden Konditionierung künftiger Terroristen zu machen und dabei das Leid der Betroffenen ganz direkt zu zeigen. Ein Paukenschlag, der direkt die Gefühlswelt durcheinanderwirbelt, wie es nur im Kino möglich ist Bild, Bewegungen, Emotion, zusammengefasst zu einer Story, die mitreißt.
Auf diesem hohen Spannungsniveau geht es weiter, wenn vier FBI-Agenten in Riad den massenhaften Mord untersuchen sollen. Kompetenzgerangel und eifersüchtiges Verteidigen der eigenen Domäne bestimmen das erste Drittel des Films, eine latente Konkurrenz zwischen FBI und saudischer Polizei und, innerhalb der arabischen Bürokratie, zwischen Militär und Polizei, sowie innerhalb der US-Administration zwischen Regierung und FBI. Die Attentäter hatten offenbar Kontakte zur saudischen Polizei; und das FBI darf nur ganz im Geheimen, vollkommen inoffiziell, Untersuchungsbeamte schicken, denn die Regierung fürchtet diplomatische Verwicklungen mit dem strategischen Freund im Nahen Osten.
Nach diesem Teil des Films Überschrift: Clash der Kulturen beginnt die Crime Scene Investigation, akribisch und detailliert: Das Sezieren der Leichen, das Untersuchen des Tatorts mit all den zerfetzten Trümmern, das Befragen von Zeugen und das langsame Annähern des FBI-Chefagenten und des ermittlungsleitenden saudischen Polizeioffiziers. Auch dieser zweite Teil des Films ist spannungsgeladen denn zur kriminalistischen Verbrechensanalyse kommt hinzu, dass die US-FBI-Agenten selbst zum Ziel des nächsten Attentats werden sollen
Das führt direkt in den dritten Filmteil, eingeleitet durch eine Actionsequenz inkl. Autobombenexplosion auf der Autobahn, Schießerei, Entführung, Verfolgungsjagd die dann in einem Häuserkampf im feindlichen Territorium eines Extremisten-Stadtviertels mündet. Und hier, in dieser finalen Action, entpuppt sich der politisch angehauchte Hintergrund des Films als bloße Pappkulisse, als cinematischen Trick zur Erhöhung des Thrills unter geflissentlicher Umgehung jeder tiefliegenderen politischen oder kulturellen oder aktuellen Implikation, jeder halbwegs brauchbaren Aussage zur Weltlage, jeder irgendwie gearteten Haltung zur weltweiten Bedrohung durch Terrorismus und der oft überzogenen westlichen Reaktionen darauf. Was an sich bei dieser Thematik auf diesem anspielungsreichen Hintergrund der politischen, wirtschaftlichen Interessenskonflikte im Nahen Osten bzw. des grundlegenden Konflikts zwischen Islam und westlicher Welt doch irgendwie erwartet werden könnte. Stattdessen pures Feinde abknallen mitunter wähnt man sich in Black Hawk Down , und schließlich, als Gipfel, darf die FBI-Agentin, die zuvor von allen Arabern so gering geschätzt wurde, im Nahkampf Frau gegen Mann den bösen Feind eigenhändig erledigen.
Ganz versteckt und von den Filmemachern vielleicht unbemerkt schleicht sich hier ein uramerikanischer Hurrapatriotismus ein, eine Simplizität des Weltbildes, die sich beißt mit dem multiperspektivischen Kompetenzgerangel, das der Film in seinem ersten Teil beschreibt. Damit wird vom Ende her der ganze Film reduziert auf ein Kinostück der Schauwerte dabei wäre hier das Potential vorhanden gewesen, einen Politthriller innerhalb der Genrekonventionen zu drehen, der die Komplexität von Syriana verbindet mit einem Mainstream-Action-Thriller. Es bleibt: spannendes Kino, das sich zwar nicht der Politik, dafür aber dem möglichst wirkungsvollen Ausdruck verpflichtet fühlt.
Fazit: Ein durchgehend spannender, actiongeladener Thriller vor dem Hintergrund von Nah-Ost-Konflikt und islamistischem Terror der jedoch dieses politische Thema geflissentlich übergeht.