Werner Herzogs "Rescue Dawn" ist die wahre Geschichte von Dieter Dengler, einem Navy-Flieger, der bei seinem ersten Einsatz 1966 in Laos bei einer Mission zur Bombardierung von Vietcong-Stellungen abgeschossen und gefangengenommen wurde und entkommen konnte, um davon zu erzählen. 1997 hat Herzog mit Dengler in Person schon die Dokumentation Flucht aus Laos über den Fall gedreht, jetzt folgt der Spielfilm mit Christian Bale, Steve Zahn und Jeremy Davies.
Einen ungeheuren Impuls hat dieser Film, der von den Bildern auf die Figuren wirkt und auf die Zuschauer. Die suggestive Kamera bleibt immer nah bei den Charakteren, bewegt sich mit ihnen, auf ihrer Blickebene; gleichzeitig nimmt sie eine lauernde Stellung ein, die die Protagonisten bedroht; und gleichzeitig zieht sie den Zuschauer förmlich ins Bild hineine Herzog, der Magier der Naturbilder, ist in Höchstform bei Rescue Dawn, zeigt den dichtesten und grünesten Dschungel, den man sich vorstellen kann. Noch immer ist er einer der Männer mit der größten Kraft, in den Bildern und in der Geschichte, unter den Regisseurskollegen des Neuen Deutschen Films ebenso wie unter der aktuellen Filmemachergeneration.
Bei Herzog ist alles echt, der Dschungel, das Gefangenenlager und der Hunger. Seine Darsteller mussten viele Kilos verlieren, was Bale zuvor auch schon für The Machinist vollbracht hatte. Vielleicht ist das der Grund, warum Herzog seinen Film überhaupt finanziert bekommen hat, dass er hier Schauspieler einsetzen kann, die für den Film, zumal für den Film einer Regielegende, alles tun: Bale isst Würmer und eine tote, aber ungekochte Schlange, und die Blutegel sind wohl auch real
Bale spielt Dengler, der überleben will, einen Mann, der immer nur fliegen wollte und deshalb beim Militär gelandet ist; einen Mann der Tat, einen Mann des Idealismus, der Fluchtpläne schmiedet, sobald er im Dschungelcamp ist und der immer wieder auf den Boden zurückgeholt wird: Nicht die Palisaden sind das Gefängnis, sondern der Dschungel, in dem es kein Wasser gibt, kein Essen, dafür wilde Tiere und Vietcong. Dengler stellt sich dem Kampf, der eine Flucht ist, ein Marsch ins Unbekannte und ins Überleben. Dengler, zusammen mit Duane im Urwald unterwegs, leistet Übermenschliches und wird, eine ironische Brechung am Ende, nach dem Gelingen erst mal vom CIA festgesetzt, weil seine Mission geheim war.
Es ist dies nicht nur ein individueller Überlebenskampf, den Herzog zeigt; es ist dies auch ein mythisches Aufstehen gegen das Schicksal, gegen das Übermächtige. Diese abstrahierende Ebene erreicht Herzog, indem er das Politische, die Gründe für den Krieg, seine moralischen Implikationen heraushält, nicht, um auszuweichen, sondern um ganz auf Augenhöhe zu sein mit Dengler, dem Flieger, der gar nicht kämpfen wollte. In dem ein Träumer steckt: Er will fliegen, seit er als Kind, in Deutschland noch, einem US-Kampfpiloten direkt in die Augen gesehen hat, als der mit dem MG auf ihn zielte Du bist verrückt, sagt ein Mitgefangener, der Kerl schießt auf dich und du willst seinen Job. Es ist auch der immer wieder aufblitzende Humor, die Leichtigkeit, die Beiläufigkeit der Inszenierung, die diesen Film ausmachen und die zu seinen Alptraumqualitäten mit beitragen. Obwohl eine historische Einordnung des Geschehens ausbleibt, ja, gerade deswegen, muss Rescue Dawn sicherlich zu den ganz Großen des Vietnamfilmgenres zählen.
Fazit: Ein überlebensgroßer Abenteuerfilm von Altmeister Werner Herzog, ein mythischer Kampf des Menschen gegen die Natur die eigene wie die des Dschungels.