Draußen bleiben von Alexander Riedel ist ein wichtiges Zeitdokument mit Seltenheitswert. Es porträtiert zwei Mädchen, die mitten in München leben und doch ganz am Rande der Gesellschaft stehen. Valentina mit ihren rötlichen langen Haaren und dem aufgeweckten, schelmischen Blick ist die Anführerin ihrer Mädchenclique, die sich am Bolzplatz trifft und manchmal Fußball spielt. Vielleicht sind Münchner Bürger dieser Valentina und ihren Freundinnen Yasmin, Diana, Suli schon mal auf der Straße begegnet.
Überhören lässt sich die scherzende und schreiende Clique nur schlecht. Vielleicht haben sich Münchner Bürger dann gedacht, das sind frustrierte Hauptschüler, die sich abreagieren. Wahrscheinlich aber hat keiner der Passanten vermutet, dass die freche Valentina in einer Flüchtlingsunterkunft lebt und ihr nach elf Jahren immer noch die Abschiebung droht. Die Aufenthaltserlaubnis der Familie besteht aus einer befristeten Duldung, die jeweils nur für zwei oder drei Monate verlängert wird.
Der Dokumentarfilm begleitet Valentina auf den Bolzplatz, wo es manchmal Streit gibt zwischen den Mädchen. Dianas kleine Schwester hat zu Yasmin gesagt, sie habe zu kleine Augen. Das asiatische Mädchen hat geantwortet, und deine Haut ist zu dunkel. Die Afrikanerin Diana wollte daraufhin nach Hause gehen, Valentina versucht zu schlichten, doch ihr aggressiver Ton und ein paar unreflektierte Bemerkungen machen das Ganze fast noch schlimmer. Die Mädchen sind alle Migrantinnen, die sich in perfektem Schuldeutsch die Grobheiten an den Kopf schleudern, die sie für in halten Hey, du Missgeburt!, die aber ihre Schlagfertigkeit mit viel Humor und Solidarität füreinander kombinieren.
Am bedrückendsten wirkt der Film, wenn er Valentina beim Essen zuhause zuschaut. Die Mutter geht in die verwaiste Gemeinschaftsküche mit den tragbaren Kochstellen, brät ein paar Eier. Dann stellt sie sie Valentina ins Wohnzimmer, mit einer Tüte Semmeln, einem Becher Sauerrahm und einer Packung Apfelsaft. Valentina isst ohne Besteck, über den Couchtisch gebeugt, während durch die offene Tür der Lärm vom Gemeinschaftskorridor dringt. Eine gemeinsame Mahlzeit, ein aufwändiger zubereitetes Essen scheint es unter diesen provisorischen Umständen wohl nicht zu geben.
Und doch empfinden weder Valentina, noch ihre Freundin Suli, ihre Lebenssituation als schlimm. Es gebe halt keine Privatsphäre, aber das Leben sei nicht schlecht in der Unterkunft, meint Suli. Sie hat früher auch dort gewohnt, bis ihre Eltern als Flüchtlinge aus China anerkannt wurden und eine kleine Wohnung in einem Neubau bezogen. Jetzt hat Suli ihr eigenes Zimmer, das aber so klein ist, dass außer einem Einbauschrank und einem Bett nichts mehr reinpasst.
Aus ungewöhnlichen Perspektiven heraus begleitet die Kamera die Mädchen auch in schönen Momenten, wenn sie sich zum Beispiel einmal für die Disco schminken und dabei in die Kamera wie in einen Spiegel schauen. Meistens aber stehen die Mädchen draußen, sehen in der Abenddämmerung der vorbeifahrenden S-Bahn nach. Und dann lächelt einen wieder die hübsche Valentina an und macht einen schlagfertigen Witz, der keine Spur von Trauer duldet. Ihr Schicksal mitten in der bürgerlichen Großstadt lässt einen die Gesellschaft aus einer anderen Perspektive betrachten und sie sieht fremd aus.
Fazit: Anrührende und nachdenklich stimmende Dokumentation über Mädchen aus Flüchtlingsfamilien, die mitten in München leben und doch ganz am Rande der Gesellschaft stehen.