Am Anfang macht der Film gleich klar, um was es geht. Angelina Jolie, halbnackt, wird gefoltert, von Nordkoreanern, und sie lügt tapfer. Darauf ist sie trainiert: Folter Waterboarding auszuhalten (und vermutlich auch selbst auszuführen), als Mitarbeiterin der CIA, sorry, der Tarnfirma Rink Petroleum. In Unterhosen und BH also, den Schergen ausgeliefert, bleibt sie hochprofessionell: und so wird das weitergehen im ganzen Film, später dann nur angekleidet. In jeder Sequenz neu gekleidet übrigens, mit stets anderer Frisur: weil sie untertauchen, sich tarnen muss, gilt sie doch der CIA als russische Doppelagentin, als die perfekte feindliche Schläferin.
Auf der Flucht sein vor den eigenen Leuten, unterwegs sein, um die Welt zu retten: Das ist der Plot der etwas anachronistisch anmutet, wie aus alten Kalter-Krieg-Zeiten. Aber andererseits: Vor einigen Wochen waren in den USA tatsächlich russische Schläfer aufgeflogen, und es fand ein filmreifer Agentenaustausch statt
Das Leben imitiert die Kunst, wobei die Kunst von Salt vor allem darin liegt, ein Action-Spionage-Spektakel zu sein, ohne etwas anderes sein zu wollen.
Und präsentiert mit der Titelfigur eine absolut vollkommene Heldin, die alles kann, alles weiß, keine Schwächen hat. Und doch, so behauptet der Film, Mensch bleibt, Gefühle hat, mit ihren Emotionen aber umgehen kann ein paar Emo-Rückblenden auf ihren Geliebten, gespielt von August Diehl, gestattet ihr der Regisseur. Der innere Aufruhr durch Unsicherheit und Trauer stört sie freilich nicht im zielstrebigen äußeren Handeln. Diehl hat ein paar Szenen mit ihr, darf sie küssen er ist, was Franka Potente für Jason Bourne war.
Blitzschnell erfasst Evelyn Salt ihre Situation, kennt den aussichtslos scheinenden Weg aus der Falle. Weiß den Fluchtweg aus dem CIA-Gebäude, kämpft sich durch die Hochsicherheitszone eines angekündigten Attentat-Tatorts durch, weiß, wie man als schwer bewachter Gefangener aus einem dahinrasenden Polizeiauto entkommt; im Fahrstuhlschacht einen absteigenden Lift hinabspringend zu verfolgen ist nur eine Kleinigkeit. Sie geht über Leichen, baut aus Feuerlöscher und Bürostuhl in Sekundenschnelle eine Feuerwaffe (McGyver hätte seine Freude dran), und wenn sie sich nicht durch Sicherheitsglas durchschießen kann, gehts eben durch Beton.
Der Film versammelt ungefähr alle Versatzstücke aus über 80 Jahren Genregeschichte. Man hat alles, was in Salt vorkommt, schon mal irgendwo gesehen, in anderer Zusammensetzung; manches, was überraschend sein soll, funktioniert daher nicht so richtig. Andererseits ist es nicht unspannend, den Weg des Films, den Weg von Evelyn Salt durch die potentiell unendliche Anzahl von Kombinationsmöglichkeiten der Spionagethriller-Topoi zu verfolgen. So massiv bombardiert der Film einen mit Deja Vus, dass einem irgendwann die Ähnlichkeit des US-Präsidenten mit Horst Köhler auffällt sehr seltsam
Das eigentlich Merkwürdige aber ist, dass Regisseur Phillip Noyce die ganze Zeit über den Spannungslevel halten kann: Spielerisch belädt er die Waage des Zweifels, ob Salt vielleicht doch Doppelagentin sein könnte, lädt Schein und Doppelschein übereinander. Und es gelingt sogar, Suspense aufzubauen, wenn wir vom kommenden Attentat auf den russischen Präsidenten wissen, und von der behaupteten Täterin, die ihr Vorhaben ausführt, ohne dass der Zuschauer weiß, was eigentlich ihr Plan ist, weil sich mehrere Behauptungen über sie widersprechen. Man bleibt bei ihr, ohne zu wissen, warum, verfolgt ihren leichengepflasterten Weg aber gerne. Auch, weil der Film voll Tempo immer weiter stürmt: Fight and Flight, ohne Pause.
Fazit: Ein Actionfilm, nicht mehr und nicht weniger: Von vorne bis hinten in vollem Tempo geht Angelina Jolie als Topagentin Salt ihren Weg.