Regisseur Steven Spielberg ("Schindlers Liste", "Die Abenteuer von Tim und Struppi") inszeniert mit "Gefährten" ein Epos von monumentaler Wucht und altmodischem Kinoflair. Der Film erzählt gleichermaßen von den Schrecken des Ersten Weltkriegs und der kindlichen Zuneigung eines jungen Mannes für sein Pferd. Das edle Reittier Joey schleppt sich, getrennt von dem englischen Bauernsohn Albert, an der Westfront durch die Kriegsjahre, bei der Kavallerie und als Transport- und Zugpferd. Für die Engländer, Franzosen und Deutschen, denen es abwechselnd in die Hände fällt, wird Joey zum Hoffnungsträger für Frieden und Überleben.
Die 140-minütige Geschichte beginnt im englischen Devon und basiert auf einem Jugendroman von Michael Morpurgo, der im Jahr 2007 zu einem erfolgreichen Theaterstück adaptiert wurde. Die ärmlichen Steinhäuser zwischen den grünen Hügeln, die britischen Darsteller wie Peter Mullan ("Mein Name ist Joe") als Ted Narracott, Emily Watson ("Zurück im Sommer") als seine Frau Rosie, David Thewlis ("Anonymus") als Landverpächter und Jeremy Irvine in seiner ersten Spielfilmrolle als Albert sorgen für Lokalkolorit. Auf die englische Atmosphäre legt Spielberg großen Wert, wie auch die Wahl der Drehbuchautoren Lee Hall ("Billy Elliot") und Richard Curtis ("Notting Hill") zeigt.
Wenn die Narracotts tapfer ihrer Armut trotzen und Albert mit beschwörendem, verklärten Blick auf sein Pferd einredet, könnte man sich in einer anderen Kinoepoche wähnen. Diese märchenhafte Naivität, dieser Glaube an die großen Gefühle, das einfache Strickmuster gehören einer vergangenen Erzähltradition an. Die Landschaftstotalen, die Kameramann Janusz Kaminski ("Schindlers Liste") einfängt, mit ihrem Horizont unterhalb der Bildhälfte, sind manchmal so imposant konzipiert wie in dem Oscar-prämierten Filmklassiker Vom Winde verweht aus dem Jahr 1939. Die Personen erscheinen im Vordergrund groß im Bild und kommen einem nahe, wie ihre Gefühle. Spielberg verweilt auch oft bei kleinen Nebenhandlungen, die ihre Charaktere so lebendig werden lassen, als könnten sie den Zuschauer in das Geschehen mit hineinziehen.
Die kindlich-herzige Anfangsgeschichte in England weicht dann dem Kriegsschauplatz an der Westfront in Frankreich. In den verschiedenen Episoden entfaltet dieser berüchtigte, verlustreiche Krieg mit seinen Strapazen, der Exekution junger Deserteure, den Plünderungen, dem Irrsinn des Ausharrens in den Schützengräben Schritt für Schritt sein Grauen. Eine Episode, die das Pferd Joey auf einen Bauernhof zu der jungen Emilie führt, gespielt von Newcomerin Celine Buckens und ihrem Großvater, den Niels Arestrup ("Ein Prophet") darstellt, schafft zwischendurch eine Atempause.
Allein auf der Seite der Briten gab es im Ersten Weltkrieg eine Million Pferde. Die Kavallerie alter Schule mit den degenbewaffneten Soldaten traf auf die neue Artillerie etwa in Form von Maschinengewehren. Joey verliert seinen englischen Reiter in solch einem Gefecht, später wird er bei den Deutschen als Zugpferd für Krankentransporte und Kanonen eingesetzt. Schließlich verläuft sich das Tier im Niemandsland zwischen den Schützengräben. Dort müssen, es ist das Jahr 1918, Albert und seine jungen Kameraden aus Devon aus ihrem Schützengraben hinaus direkt in den feindlichen Kugelhagel rennen. Grau ist jetzt die allumfassende Farbe der Landschaft, die Soldaten befinden sich in einer Sackgasse mit dem Tod vor Augen. Hier gelingen dem Film ungeahnt prägnante und bewegende Szenen.
Regisseur Steven Spielberg malt den Kriegsgegner der Briten nicht schlecht, vielmehr sind alle Soldaten, die sich um Joey kümmern, human und beseelt vom Glauben an das Leben. Das gilt für das junge Brüderpaar Günther und Michael, gespielt von David Kross und Leonard Carow, oder für den Betreuer der Artilleriepferde, den Nicolas Bro darstellt. Die Bürde dieses Krieges wiegt im Kontrast zu der Menschlichkeit, die Joey in den Soldaten weckt, umso schwerer. Joey, im Film von 14 verschiedenen Pferden dargestellt, fungiert oft mehr als Bindeglied zwischen den Episoden, als die Hauptrolle zu spielen. In einigen Momenten aber wird Joey kommunikativ und ergreift die Initiative.
Der Film "Gefährten" beweist einmal mehr, dass eine gut erzählte Geschichte jeden packen kann, zumindest für kurze Zeit. Er ist ein emotionales Erlebnis, pures Kino.
Fazit: Regisseur Steven Spielberg malt mit "Gefährten" ein emotionales Filmepos alter Schule auf die Kinoleinwand, das an die Hölle des Ersten Weltkriegs erinnert.