Der Stoff ist allererste Klasse. Da ist zum einen das legendäre Fernsehgespräch mit Nixon, das (zumindest Medien-)Geschichte schrieb. Der Vietnamkriegspräsident, Machtpolitiker und Lieblingsfeind der Linken kam zum ersten Mal aus der Deckung, erlaubte einen Blick auf die hässliche Fratze der Machtpolitik und des -denkens, aber auch in Großaufnahme auf die Tragik eines einsamen, stets ungeliebten und um Anerkennung ringenden Staatsmannes.
Zum anderen erzählt Frost/Nixon die Geschichte zweier Männer, die gegeneinander antreten, wobei alles auf dem Spiel steht und nur einer gewinnen kann. Für Frost ist es seine berufliche und finanzielle Existenz, alles hat er in das Projekt investiert. Für Nixon ist es der Kampf um Rehabilitation, sein Bild, mit dem er in den Geschichtsbüchern beurteilt wird.
Einer der besten Momente des Films macht das selbst explizit: Nixon, etwas angetrunken, ruft Frost in der Nacht an und räsoniert in einem Monolog über ihr beider Dasein als kleine Leute, die immer um Akzeptanz gekämpft haben und nie genug Würde bekommen werden.
Dies dürfte einer der Momente sein, die frei der Phantasie Peter Morgans entsprungen sind. Morgan, der schon Die Queen und The Last King of Scotland geschrieben hat, hat das Drehbuch nach seinem eigenen Theaterstück verfasst. Der echte David Frost fungierte als Berater, und verfilmt hat das Ganze Ron Howard (Sakrileg Der Da-Vinci-Code, A Beautiful Mind).
Letzteres ist für die Qualität des Films aber ziemlich egal (sprich, es hätte auch ein Anderer sein können). Frost/Nixon, ein Dialogfilm, lebt vom Buch und vor allem von den Darstellern, besonders Charakterschauspieler Frank Langella als Richard Nixon. Langella verleiht dem gefallenen Politiker mit dem dunklen Blick und dem runden Rücken die nötige Tragik, dazu aber auch boshaften Witz und Impertinenz, wobei er alle Eigenschaften und Wesenszüge mithilfe des Skripts so geschickt über- und ineinanderschichtet, dass nicht nur ein tiefer, sondern auch komplexer Charakter draus wird. Jemand, den man zugleich verachten, respektieren und bemitleiden kann.
Gegen diesen Nixon hat Michael Sheen wenig Chancen (er und Langella spielten die Rolle schon gemeinsam auf der Bühne). Sheen verkümmert als Showmann, der es ernst meint, ein wenig auch, wenn die Variationenbreite seines Grinsens, von schockgefrostet bis TV-charmant, klasse ist.
Auch die Nebendarsteller, wie Kevin Bacon als Nixons überzeugter Berater und Oliver Platt und Sam Rockwell als Unterstützer Frosts, sind erster Güte. Mit ihnen werden gehörig die Wirklichkeitsebenen vermischt und mit der Authentizität jongliert: Als Aussagende mit Blick in die Kamera geben sie immer wieder zwischendrin Auskunft, wie es damals war. Die Handkamera tut pseudodokumentarisch das Übrige, auch die 1970er-Ausstattung glaubt man gerne.
Leider sind das nur Spielereien und Kulisse. Selbst die Nebenrollen kommen letztendlich nicht wirklich aus dem Schatten der zwei Hauptfiguren heraus zu einem Eigenleben jenseits des medialen und persönlichen Duells. Frosts Freundin Carolin (Rebecca Hall) dient gar nur als obligatorischer weiblicher Part, den man rein handlungstechnisch ohne Probleme streichen könnte.
Klar, dem Film würde damit viel fehlen. Aber alles in allem dreht sich Frost/Nixon eben nur um den Zweikampf vor der Kamera aus dem freilich, wenn man ehrlich ist, wenig mehr wird als die Standardstory, wie sie hunderte Sportfilmen bieten: Vorbereitung und langer Fight, bei dem der Gute (Frost) lange einstecken muss bis er, als kleiner, verkannter Mann, der doch zu Höheren berufen ist (weil er tatkräftig wagt) doch über den Großen, den Profi, den Etablierten siegt in dem Fall: ihn aus der Reserve lockt.
Darin erinnert Frost/Nixon stark an Eine Frage der Ehre im (End-)Duell Tom Cruise vs. Jack Nicholson. Doch Howards und Morgans Film geht noch ein Stück weiter, vergisst Nixon als den Besiegten nicht, präsentiert ihn nicht als den Schurken, sondern lässt ihn quasi als Zweiten und mit Achtung vom Platz gehen als jemand, der an sich selbst gescheitert ist und ein Stückweit mit sich selbst ins Reine gerät.
Ob nun der Film Frost/Nixon der fehlende Beitrag zur Figur Nixons ist? Oliver Stones Nixon hat sich dem düsteren Präsidenten bereits angenommen, der Klassiker für die Watergate-Affäre ist Die Unbestechlichen mit Dustin Hoffman und Robert Redford, und bei Ansehen von Frost/Nixon selbst mag man sich ertappen, statt des Films einerseits das Original-Interview, andererseits die Theateraufführung des zugrunde liegenden Stückes sehen zu wollen.
Gleichwohl bietet der Film dazwischen eine eindrucksvolle Charakterstudie mit geschichtlichem Touch.
Fazit: Vor allem dank Frank Langella als Nixon sehenswerter Film um das legendäre mehrtägige TV-Interview des Moderators Frost mit dem Ex-US-Präsidenten 1977.