Seit sagen wir mal City of God sind südamerikanische Gangsterfilme, Jugendfilme, Gangfilme en vogue. Sin Nombre benutzt die Standard-Versatzstücke und fügt sie zu einem Film irgendwo zwischen Gangstergewalt, Liebesdrama, Coming of Age und Sozialanklage zusammen. Und wenn man nicht schon einige dieser immer wieder ähnlichen Filme gesehen hat Tropa de Elite vielleicht oder oh Gott! Border Town, oder sagen wir Maria voll der Gnade oder was weiß ich , dann wirkt das auch dynamisch, hinter der Stilisierung ist immer noch die soziale Realität zu erkennen, Gewalt ist verbunden mit dem Gefühl der Niederlage, die Slums, in denen die Gangs herrschen, sind Brutstätten des Bösen und gleichzeitig Biotope von Gefühl und Liebe.
Cary Fukunaga baut all dies ein in seinen Film, der zunächst zwei Parallelstränge erzählt: von Casper in der Mara-Gang, der den sehr, sehr jungen Smiley rekrutiert als Gangster-Nachwuchs. Und von Sayra, die mit ihrem Vater und ihrem Onkel aus Honduras über Guatemala nach Mexiko flieht, um von dort per illegaler Zugreise nach USA zu gelangen. In Mexiko, auf dem Dach des Zuges, treffen sich Casper und Sayra Casper als Teil des Gangsterkommandos, das die ohnehin armen Blinden Passagiere ausrauben soll, Sayra als Beinahe-Vergewaltigungsopfer. Und Casper entscheidet sich, tötet seinen Boss und ist fort an selbst ein toter Mann. Weil ihn alle Mara-Gang-Organisationen in ganz Mexiko jagen. Und Sayra ist ihm dankbar, ja, beginnt ihn zu lieben
Während zugleich Smiley, um sich zu beweisen, auch, um die Coolness eines richtigen Gangsters zu erlangen, um nicht selbst als Verräter gekillt zu werden, der hartnäckigste Verfolger von Casper wird.
Es ist zu fragen, ob das lange Nebeneinander der Casper- und Sayra-Erzählstränge ratsam war; ob nicht ein schnelles Zusammenfügen und dafür ein rascheres Abzweigen des Smiley-Verfolgungs-Szenarios dramaturgisch spannender gewesen wäre. So ergibt sich erst nach vielleicht einem Drittel Film das Rückgrat, das den Film aufrecht hält die Casper-Sayra-Verbindung unter dem Damoklesschwert. Zuvor erzählt Fukunaga zwar mitreißend vom Gang-Leben, von den strengen Regeln, von den brutalen Initiationsritualen erstens: Verprügeltwerden, zweitens: einen Feind erschießen , die ein Zwölfjähriger (!) über sich ergehen lassen muss. Von der Unerbittlichkeit, wenn es um Gehorsam geht, von der Entschiedenheit, mit der jeder Kontakt nach außen, ins normalbürgerliche Leben verhindert oder zumindest geregelt wird. Aber das hat halt wenig zu tun mit der Atmosphäre, die der Film erhält, wenn sich eine Annäherung auf dem Zugdach ergibt, bei der Reise Richtung gelobtes Land USA.
Da ergibt sich plötzlich eine Initimität, die von vornherein keine Zukunft hat: Weil Casper sich von seiner Gang abgewendet hat, weil er seinen Boss getötet hat, der ihm seine Liebste gekillt hat emotional ohnehin zerrissen, ist ihm jetzt nur noch der Tod gewiss, irgendwann, irgendwo. Und Sayra ist eine Verlorene, die zwar in den USA irgendwo eine Anlaufstelle hat, eine neue Familie für die aber dennoch alles, was über den Tag hinausgeht, völlig unsicher ist. Und die sich in jugendlicher Schwärmerei mit Casper auf jeden Fall den falschen aussucht.
So ist Fukunagas Gangsterdrama seltsam unausgewogen. Sehenswert? Ja. Völlig befriedigend? Nein.
Fazit: Mexiko-Gangsterdrama, das sich nicht richtig befreien kann von den Versatzstücken, die aus anderen Filmen bekannt sind; und das dramaturgisch seltsam unausgewogen wirkt.