Mystic River: Sensationell besetztes Drama über drei Jugendfreunde, die sich wiedertreffen, als eine ihrer Töchter ermordet wird.
Düster und mächtig sind die Gewässer, durch die sich Clint Eastwood in „Mystic“ River“, seiner 24. Regiearbeit, manövriert. Natürlich sind dem einstigen Mann ohne Namen Themen wie Gewalt, moralische Verantwortung und der Einfluss der Vergangenheit auf die Gegenwart nicht fremd, aber selten ging er so konzentriert, intensiv und konsequent zu Werke wie in der Verfilmung von Daniel Lehanes „Spur der Wölfe“ über drei Jugendfreunde in Boston, die einst von einer Gewalttat voneinander entfremdet wurden und deren Wege sich nach einer neuerlichen Gewalttat wieder kreuzen. Ohne die Thrillerstruktur jemals zu vernachlässigen, nutzt Eastwood die packende Prämisse für ein faszinierendes Psychogramm dreier auf unterschiedliche Weise getriebener Männer, die erkennen müssen, dass alle ihre Taten bisweilen unabsehbare Folgen haben. Sean Penn, Kevin Bacon und Tim Robbins brillieren in den Hauptrollen dieses Films in der Eastwood-Tradition von „Pale Rider“ oder „Erbarmungslos“.
Tatsächlich nimmt „Mystic River“ einen Ausnahmeplatz im Schaffenswerk des mittlerweile 76-jährigen Filmemachers ein. Obwohl nach Aussage aller Beteiligten ebenfalls im patentierten Eastwood-Stil entstanden, für keine Einstellung mehr als drei Klappen zu brauchen, ist diese Ballade um Schicksal, Rache, Schuld und Sühne anders als seine vergangenen Regiearbeiten, insbesondere seine entspannten Krimis nach Belletristikvorlagen („Absolute Power“, „Ein wahres Verbrechen“, „Blood Work“), keinen Deut schludrig. Ohne auf Atmosphäre zu verzichten, verschwendet Eastwood hier keine Sekunde, lässt er die präzisen Widescreen-Kompositionen niemals nach Außen drängen. In perfekt arrangierten Bildern und aufeinander abgestimmten Szenen entsteht eine Konzentration auf die Mitte der Leinwand, eine Konzentration, deren Intensität atemberaubend ist. Vermutlich auch ein Verdienst des wie unter Strom stehenden Sean Penn, der den Film mit einer seiner besten Darstellungen dominiert und lenkt.
Er ist einer von drei Kindheitsfreunden, die man in einem längeren Prolog als rotzige, aber doch harmlose Straßenkids kennen lernt: Beim Spielen werden der taffe Jimmy, der unbedarfte Sean und der unauffällige Davey von zwei Männern unterbrochen, die sich als Polizisten ausgeben, aber als Kinderschänder erweisen und Davey entführen. Erst nach vier Tagen unsäglicher Pein kann er entkommen. 30 Jahre später leiden immer noch alle Drei unter den Erlebnissen von einst: Jimmy ist ein harter Hund geworden, der nach zweijährigem Knastaufenthalt als Besitzer eines kleinen Ladens den Ball flach hält und mit der bestimmten Annabeth zwei Töchter hat. Den permanent verunsicherten Davey lässt das Martyrium von einst nicht los - trotz glücklicher Ehe mit der Cousine von Jimmys Ehefrau und einem gemeinsamen Sohn machen ihm die Dämonen schwer zu schaffen. Als Unbekannte bei der Polizei ein Verbrechen melden, tritt auch Sean wieder auf den Plan: Er ist mittlerweile Cop und laboriert an der schmerzhaften Trennung von seiner Frau. Opfer des gemeldeten Verbrechens ist ausgerechnet Jimmys älteste Tochter, die brutal geschlagen und erschossen wurde. Parallel zur Polizei leitet er seine eigene Ermittlungen, um Rache üben zu können, und setzt damit eine Tragödie in Gang.
Stück um Stück legt Eastwood Schichten der Psyche der drei Männer frei und tastet sich durch ein undurchsichtiges Gestrüpp an Informationen, das über den Umweg über die Vergangenheit neue Einblicke in die Geschehnisse in der Gegenwart erlaubt. Eine Fülle von Details und kleinen Hinweisen ergeben nach und nach ein immer monströseres Bild von verkorksten Leben, von Menschen, die aufgrund der Last ehemaliger Taten den Überblick im Hier und Jetzt verloren haben. Mit höchster Ökonomie sammelt Eastwood die Daten, um schließlich in einem parallel montierten Showdown die finstersten Bilder seiner Karriere zu evozieren. Alldieweil zeigt er sich geradezu besessen im Zeigen der wahren Auswirkungen von Gewaltverbrechen, als wollte er für die en passant errichteten Leichenberge vergangener Filme Abbitte leisten.
So entsteht ein packender Film, der so gar nichts von der typischen Versöhnlichkeit gängiger Alterswerke haben will. „Mystic River“ ist ein American Gothic, eine beklemmende Moritat in der Ahnenfolge von „Die Nacht des Jägers“, „The Wild Bunch“ und letztlich auch „Erbarmungslos“, die trotz minimaler Fehlgriffe (Eastwoods selbst komponierter Score) jetzt schon das Prädikat „Klassiker“ verdient. ts.