The Village - Das Dorf: Neuer Gruselthriller von M. Night Shyamalan ("Signs - Zeichen") über ein isoliertes, von mythischen Kreaturen bedrohtes Dorf.
Rot ist die Farbe, die sie anlockt, Gelb der Ton, der sie besänftigt und Grün die Farbe der Hoffnung, dass nach „Sixth Sense“, „
Unbreakable“ und „
Signs - Zeichen“ das Konzept des übernatürlichen Überraschungsthrillers ein weiteres Mal Früchte trägt. Dank einer erneut cleveren Prämisse, die sich ideal zum Schüren von Neugier nutzen lässt, stehen die Zeichen für eine grüne Ampelschaltung bestens, auch wenn „The Village“, der bislang ambitionierteste und strengste Film von M. Night Shyamalan, seine Besucher stärker polarisieren könnte als die anderen Grusel-Rätsel-Hybriden des Autors und Regisseurs.
Entscheidend für einen langfristigen Erfolg, der sich schließlich auch in der Zweitverwertung unter dem Laser niederschlagen soll, ist letztlich das Maß, wie harmonisch Erwartungen und Seherfahrung in Einklang gebracht werden können. Diese Variable ist auch bei „The Village“ unberechenbar, weil jeder sein eigenes Drehbuch mit ins Kino bringt oder dort entwickelt, das dann an entscheidenden Stellen entweder überflüssig oder dominant wird. Gesichert aber ist, dass dank eines atmosphärischen Trailers und eines Marketings, das die Warnfarbe Rot clever als Köder benutzt, diesen Film Millionen sehen wollen. Grund ist Shyamalans Ruf als Magier von Suspense und Twists sowie Urängste, denen sich der Mensch immer wieder stellen muss. Kultiviert wurden sie früher in Märchen, die auch den neuen Film des Regisseurs maßgeblich beeinflussen.
Schauplatz ist ein kleines, isoliertes Dorf in Pennsylvania, das 1897, an der Schwelle zur Moderne, mit alten Mythen konfrontiert ist. Umringt von undurchdringlichen Wäldern, leben die Dorfbewohner ein Quäker-ähnliches friedliches Leben, sofern keiner die mit Wachturm gesicherte Grenze zum Wald überschreitet. Denn hierhin haben sich gefürchtete Kreaturen zurückgezogen, die mit animalischen Lauten Angst in den Menschen säen und sie mit sporadischen nächtlichen Besuchen warnen, sollte ihr Territorium verletzt werden. Ihre Präsenz wird weitgehend von Geräuschen etabliert, wenn Zweige knacken, an Türen geschabt wird oder über dem Keller Schritte zu hören sind. Mit wenigen, atmosphärisch magischen Bildern deuten Shyamalan und sein exzellenter Kameramann Roger Deakins die humanoide Gestalt der Wesen an, die Fleischfresser sind, sich unter roten Umhängen verbergen und in die Häuser einfallen, wenn sie sich bedroht fühlen.
Wie in „
Signs“ beschränkt sich die Regie auf Fast-Kontakte, erzeugt meisterlich Spannung, wenn sich die Jungs zur Mutprobe an die Waldgrenze stellen oder die Hand eines blinden Mädchens durch eine geöffnete Tür in die Außenwelt greift, gerade als sich das in Unschärfe gehüllte Grauen nähert. Die junge Frau, eine der beiden Töchter des Dorfvorstehers (William Hurt), ist die Protagonistin dieses gruseligen Herbstmärchens über eine Oase der Reinheit in einer verdorbenen Welt. Sie liebt den stoischen Schweiger Lucius (Joaquin Phoenix), der die Aufklärung verkörpert, weil er die Furcht vor dem Unbekannten überwinden will.
Mehr darf man eigentlich nicht verraten über das mehrfach Haken schlagende Gruselkonstrukt, will man dessen Geheimnisse nicht verraten. In Shyamalans Mix aus Grimms Märchen, „Belphegor“ und „
Blair Witch Project“ trägt Newcomerin Bryce Dallas Howard, Tochter von Regisseur Ron Howard, den Film mit einer emotional erstaunlich souveränen Leistung. Wie der von Adrien Brody gespielte Dorftrottel erfüllt auch sie als sensible, höchst verwundbare Sympathieträgerin eine genau kalkulierte, traditionelle Rolle im Film, der ähnlich wie „Unbreakable“ die Welt moralisch kommentiert, aber nicht mehr den Weg des Widerstands wählt.
Spannung entwickelt „The Village“ stilsicher, zeigt aber auch Humor und lyrischen Charme (zwei tanzend eine Veranda putzende Frauen) und relativ früh sein wahres Gesicht. Es ist eine von mehreren noch folgenden Überraschungen, die wichtige Antworten liefern, aber auch die Türen zu weiteren Fragen öffnen. Es ist der Punkt, an dem sich Fantasie von Realität prüfen lassen muss, an dem Glauben oder Zweifel vielleicht mitentscheiden, ob „The Village“ im Kino über den Hit hinaus auch eine Attraktion werden wird. kob.