Die Asche meiner Mutter: Alan Parkers ("Commitments") werkgetreue Adaption von Frank McCourts autobiographischem Bestseller "Die Asche meiner Mutter" über eine deprimierende Kindheit in Irland.
„Schlimmer als die normale unglückliche Kindheit ist die unglückliche irische Kindheit, und noch schlimmer ist die unglückliche irische katholische Kindheit.“ Diese Quintessenz von Frank McCourts autobiographischem Bestseller „Die Asche meiner Mutter“ beinahe im Wortsinn befolgend hat Alan Parker einen Film geschaffen, der als Prototyp der werkgetreuen Literaturverfilmung angesehen werden kann.
Die Erinnerungen des „James Joyce von Limerick“ an seine Kindheit und Jugend in den dreißiger und vierziger Jahren gehören zum Intensivsten, was über die „irische Seele“ zu erfahren ist. Zwischen tiefstem Elend und höchster Lebenslust, zwischen menschlicher Tragik und dem Witz der Überlebenskünstler pendelt der Film ebenso meisterlich wie das Buch, das in 25 Sprachen übersetzt, über sechs Millionen mal in 30 Ländern verkauft und 1997 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde.
Mit einem Team vertrauter Mitarbeiter - darunter Kameramann Michael Seresin, Produktions-Designer Geoffrey Kirkland und Editor Gerry Hambling - greift der britische Regisseur Alan Parker („Midnight Express“, „Birdy“, „Mississippi Burning“) nach „The Commitments“ wieder ein packendes „irisches Eisen“ an. Seine sorgsame Inszenierung folgt nicht unbedingt den filmischen Gesetzen eines dramatischen Handlungsverlaufs, sondern verläßt sich ganz auf die Geschichte des Buches und trifft genau den Ton der Vorlage.
An Originalschauplätzen in Dublin und Limerick gedreht sind die beklemmend authentischen Locations ebenso Hauptakteure wie der sanfte Dauerregen und das unerbittliche Grau des Shannon River. Robert Carlyle („Ganz oder gar nicht“) als Alkoholiker-Vater und Emily Watson („Breaking the Waves“) als in ihr Schicksal ergebene Mutter liefern eine überzeugende Performance.
Die autobiographische Geschichte einer Kindheit - nicht mehr und nicht weniger - beginnt mit dem „long goodbye und short hello“ einer jungen irischen Familie. Statt voller Hoffnung die Ankunft im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu schildern, erzählen McCourt/Parker vom Abschied aus Amerika. Wenn die Familie McCourt ohne einen Penny nach Irland zurückkehrt, liegt ihre Zukunft bereits hinter ihnen. Malachy Sr., ein begnadeter Säufer aus dem Norden Irlands, hatte sein Land verlassen müssen und im New York der Prohibitionszeit Angela, von der eigenen Mutter in die Emigration geschickt, geheiratet. Nach vier Jahren Ehe und fünf Kindern leben sie in größter Armut. Als das jüngste Kind, ein vom Vater abgöttisch geliebtes Mädchen, stirbt, zerbricht der Überlebenswille der Eltern. Der Vater geht auf Sauftour, die Mutter ist zu schwach, um aufzustehen, und der fünfjährige Frank und seine drei kleinen Brüder sind der Fürsorge einer Nachbarin überlassen. Ein Brief mit der Bitte um Geld für die Schiffspassage geht an Angelas Mutter, die Familie tritt die Heimreise an. Was sie erwartet, sind die Slums von Limerick, ist Arbeitslosigkeit und Hunger. Denn meistens ist Malachy Sr. ohne Job, und wenn er arbeitet, vertrinkt er den Lohn. In der erzkatholischen Kleinstadt werden sie nicht mit offenen Armen empfangen: Angelas Familie hat ihr nie die Heirat mit dem Protestanten aus Belfast verziehen. Großmutter Sheehan ist streng und kalt, die Schwester Aggie, selbst kinderlos, immer nur schimpfend, einzig ihr minderbemittelter Bruder Pat findet mal ein freundliches Wort.
Die Zusammenhänge von Armut und Frömmigkeit, die immer mehr Kinder auch in die Welt der McCourts bringen - ein Engel läßt sie auf den Stufen des Hauses, wie Frank glaubt - konfrontieren sie mit dem Tod. Von den Kindern, die Angela gebärt, überleben nur vier. Der Vater, den Frank liebt und der betrunken seine Söhne zwingt, die Lieder der irischen Helden zu singen, geht nach London, um Arbeit zu finden, schickt aber nie Geld. Frank geht von der Schule ab, um bei der Post zu arbeiten, denn er hat nur einen Wunsch: Geld sparen für ein Schiffsticket nach Amerika. Mit 19 ist er endlich am Ziel, mit seiner Rückkehr nach New York schließt sich der Kreis.
Erzählt wird in der ersten Person, aus der Sicht des Kindes, aber mit der Weisheit und dem Wissen des Erwachsenen. Die Stimme des Erzählers in der Gegenwart verleiht der Geschichte ihre Unmittelbarkeit und Dynamik. Jahrelang hatte sich McCourt mit Aufzeichnungen seiner Kindheit beschäftigt, ohne die richtige Tonalität zu finden. Daß dem pensionierten Lehrer das im Alter von 65 Jahren mit seinem Erstlingswerk gelang, sorgte in der literarischen Welt für Furore.
Alan Parker tut gut daran, diesem geschlossenen Werk seine Referenz zu erweisen in größtmöglicher Werktreue und einer Adaption, die die erzählerischen Strukturen auf direkte Weise in filmische umsetzt. boe.